Fehldeutungen

(30.Sep.2020) Manchmal entpuppen sich Menschen, denen man das nicht zutraut, an Stellen wo man es nicht für möglich hält, als zimperliche Mimosen. Das geht anderen mit mir auch so.

Völlig unklar ist mir aber, warum die Unterstellung der Voreingenommenheit zu Trotzreaktionen und Zickereien führt. Warum wird Voreingenommenheit so oft als etwas Schlechtes fehlgedeutet?

Voreingenommenheit beim Menschen ist doch so etwas wie der Erwartungswert der Stochastik und basiert auf bereits gemachten Erfahrungen. Man könnte Voreingenommenheit auch als standpunkt- und erfahrungsbedingte Sichtweise verstehen. Was der eine als Mißstand bezeichnet kann für einen anderen durchaus ein erstrebenswertes Ziel sein – für Moral und Ethik bleibt da, ebenfalls standpunktbedingt, auch viel Interpretationsspielraum.

Kleines Beispiel: Kürzlich trafen wir beim Spaziergang eine kurz nach der Wende nach Thüringen geratene uns bekannte Ukrainerin, die für weißrussisches Aufbegehren gegen den dortigen Regierenden überhaupt kein Verständnis hat. Schließlich ging und geht es den Weißrussen sehr gut und der vermeintliche Diktator hat dafür erst gesorgt. Eben immer eine Frage des Standpunktes.

Flexibilität

(21.Sep.2020) Es ist schon seltsam, wie flexibel doch unumstößliche Grundsätze und Feststellungen sein können. Je länger es Corona gibt, desto unwirklicher erscheint es, daß es früher mal ein Vermummungsverbot gegeben haben soll. Ironischerweise sind es jetzt ausgerechnet die Innenminister, die Vermummung immer und überall fordern.

Und dann die Sache mit dem Kremlkritiker. Mir war gar nicht klar, daß das genauso ein Beruf ist wie Literaturkritiker. Der hat sogar ein eigenes Team mit Leuten, bei denen einem schon die ein oder andere Frage durch den Kopf geht. Die erste Frage bei der Vergiftungsstory war aber: Wieso sollte der KGB (eigentlich ja FSB und SWR) ein Gift verwenden, bei dem alle Welt zuerst an den KGB denkt? Dann kamen immer mehr Fragen auf ohne daß man groß drüber nachdenken musste: Warum lebt der noch, wenn der KGB ihn umbringen wollte? Lebt einer der Giftentwickler nicht schon lange in den USA? Wer könnte ein Interesse haben, daß man den KGB für den Täter hält? Was hat eine Erdgasleitung mit Giftmordversuchen zu tun? Warum war es nun doch nicht der Tee im Flieger, sondern das Wasser im Hotelzimmer? Warum ließ der KGB das Zimmer nicht sofort aufräumen? Warum hat das Hotel das Zimmer nicht aufgeräumt? Warum nur eine von drei Flaschen vergiften? Wie kam die kontaminierte Flasche nach Deutschland – doch wohl nicht mit dem Flugzeug? Jedenfalls ist nach der Veröffentlichung des „Beweisvideos“ aus dem Hotelzimmer die Berichterstattung sehr schnell sehr ruhig geworden – die Politiker sowieso.

Dafür ist jetzt die Schweinepest wieder da. Damits nicht langweilig wird.